Inhaltsverzeichnis
1. Einen knackigen ersten Satz formulieren
2. Den Leser in Handlungswelt eintauchen lassen
3. Das Buchgenre mit dem passenden Wortschatz unterstreichen
4. Den Zeitraum deutlich darlegen
6. Die Mission des Protagonisten offenbaren
7. Den letzten Abschnitt des ersten Kapitels mit einem Cliffhanger abrunden
Wem kommt dieses Phänomen bekannt vor? Euphorisch nimmst du das neu gekaufte Buch zur Hand, fährst mit den Fingern über den Bucheinband und atmest den Geruch des frischen Druckes ein, sobald die erste Seite umgeblättert ist. Mit Genuss liest du dich durch die ersten Zeilen des Werkes, doch schleichend entwickelst du ein Desinteresse für das Gelesene. Schliesslich stellst du enttäuscht fest, dass du dich durch das erste Kapitels gekämpft hast und weder Neugierde noch Wissensdurst gegenüber dem Roman verspürst.
Dieser Blogpost verrät dir, wie du genau dies vermeidest, wie du deine Leserschaft im ersten Kapitel packst und wie du dein Werk vor dem Verstauben im Bücherregal bewahrst.
Einen knackigen ersten Satz formulieren
Für den allerersten Eindruck gibt es keine zweite Chance und genau deshalb sollte er umso mehr gelingen. Bereits im ersten Satz sollte das Interesse der Leser/innen erweckt werden. Eine gute Taktik, um dies zu erzielen, ist es, etwas Ungewöhnliches in den Satz einzubauen. Was die Leserschaft nicht kennt oder nicht erwartet, löst bei ihr Neugierde und den Drang aus, weiterzulesen.
Dieses sonderbare Element kann sowohl der aussergewöhnliche Name des Protagonisten sein oder das Anzeichen auf ein Mysterium. Aufsehen kann ein erster Satz ebenfalls erregen, wenn er nicht so endet, wie es die Leserschaft erwarten würde. Franz Kafka gelang genau dies mit seinem Meisterwerk «Die Verwandlung». Der Roman beginnt mit folgendem Satz:
Als Gregor Samsa eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem ungeheuren Ungeziefer verwandelt. – Franz Kafka
Liest man den ersten Teil, wird intuitiv angenommen, dass dies der Start eines gewöhnlichen Tages ist. Doch der Schriftsteller schaffte es, die Leser/innen in die Irre zu führen, sodass der Satz ein völlig unerwartetes Ende nimmt. Von einer Alltagssituation nimmt der Satz eine drastische Wendung, die Gregor Samsas Welt komplett auf den Kopf stellt.
Der springende Punkt ist, dass der erste Satz eine emotionale Reaktion in der Leserschaft auslösen sollte: Dies kann sowohl Ärger, Freude, Überraschung, Empörung oder eine andere Gefühlserregung sein.
Den Leser in Handlungswelt eintauchen lassen
Das A und O des verflixten ersten Kapitels ist, dass die Leser/innen sich in die Geschichte einfühlen können sollten. Indem du sie bereits auf den ersten Seiten mit den Hauptprotagonisten bekannt machst, kann auch Empathie für die Romanfiguren erweckt werden. Offenkundig sollten die Charaktere nicht steckbriefartig in den ersten Paragraphen aufgeführt sein. Eigenschaften wie das ungefähre Alter oder das Geschlecht können diskret mittels eines aussagekräftigen Details, wie einem Kleidungsstück oder der Gangart, preisgegeben werden.
Ein gestalterischer Schreibstil, der zusätzlich die gegenwärtigen Emotionen der Protagonisten beschreibt, erlaubt es der Leserschaft, sich mit deren Welt zu identifizieren. Indem den Leser/innen einen Einblick in die Gefühlswelt der Schlüsselfiguren gewährt wird, erfahren sie automatisch mehr über deren Persönlichkeit und Denkweise und können folglich auch besser mit ihnen sympathisieren.
Das Buchgenre mit dem passenden Wortschatz unterstreichen
Anders wie bei einem Film, kann dein Lesepublikum weder visuelle, noch auditive Eindrücke aufnehmen. Die einzige Methode, die einem Autor zur Verfügung steht, um den Leser/innen den Schauplatz sowie die Atmosphäre zu vermitteln, ist die verbale Beschreibung. Bereits in den ersten Absatz sollte der Leserschaft bekannt sein, in welcher Art von Buch sie sich befinden, ohne davor den Klappentext gelesen haben zu müssen. Dies kann nicht nur anhand einer physischen Beschreibung, sondern auch mittels Wortwahl der Erzählerperspektive erfolgen.
Den Zeitraum deutlich darlegen
Besonders in Romanen, die in einer anderen Zeitperiode spielen oder, im Falle von Science-Fiction-Büchern, gar auf einem anderen Planeten, sollte dies den Leser/innen von Anfang an kommuniziert werden. Ob der Autor dies auf unkomplizierter Weise macht, indem er einfach die Jahreszahl nennt, oder mittels der Visualisierung der Kulisse, ist ihm überlassen.
Den Antagonisten einführen
Der Antagonist personifiziert das Negative mit dem der Protagonist konfrontiert wird. Dies kann sowohl eine Person oder die Gesellschaft als Ganzes, als auch eine Sucht, eine Krankheit oder ein anderes Leiden, wie die Armut, sein. Aber der Antagonist muss nicht zwingendermassen ein externer Faktor sein, sondern kann auch gleichzeitig den Protagonisten verkörpern: Bei einem Narzissten oder einer Person, die unter extremer Eifersucht leidet, sind es die eigenen Charaktereigenschaften, die im Weg stehen. Wichtig ist auf alle Fälle, dass ein Antagonist existiert, denn der Konflikt zwischen dem Protagonisten und dem Antagonisten ist das, was die Leser/innen beim Lesen hält. Der Antagonist verleiht der Handlung Spannung und sollte möglichst früh, sprich im ersten Kapitel, eingeleitet werden.
Die Mission des Protagonisten offenbaren
Was gibt der Leserschaft einen Sinn, um nach dem ersten Kapitel weiterzulesen? Wenn am Ende des ersten Kapitels Friede, Freude, Eierkuchen herrscht, hält die Leser/innen nichts daran fest, weiter in die Geschichte eintauchen zu wollen. Der Autor sollte bereits im ersten Kapitel die Schwierigkeit aufgreifen oder zumindest andeuten, die zu bewältigen ist. Oftmals geht diese Mission des Protagonisten mit der Bekämpfung des Antagonisten einher, jedoch sollte dem Leser im Verlauf des ersten Kapitels klar werden, was die Schlüsselfigur erreichen möchte und wie sie den Konflikt angeht.
Den letzten Abschnitt des ersten Kapitels mit einem Cliffhanger abrunden
Sobald du mit deinem ersten Kapitel ans Ende gelangst, heisst es nochmals Vollgas geben: Der Übergang vom ersten zum zweiten Kapitel ist nämlich der Augenblick der Wahrheit: Die Leser/innen entscheiden, ob sie am Ball bleiben möchten, oder dein Werk wieder zur Seite legen. Wenn nicht mit einem Cliffhanger, wie sonst bewegst du deine Leserschaft endgültig dazu, den Roman weiterzuverfolgen?
Dieses Stilmittel sorgt nicht nur für Spannung und Neugierde, denn ein abruptes Ende erzeugt einen Überraschungseffekt: Die Leser/innen werden gnadenlos und unangekündigt wieder aus der Welt gerissen, in die sie bisher so intensiv eingeführt worden sind. Sollten sie die oberen Schritte beim Verfassen ihres ersten Kapitels befolgt haben, wird die Leserschaft an dieser Stelle bereits am Schicksal der Protagonisten Anteil nehmen und mit ihnen mitfiebern.
Der Übergang von einem Kapitel zum nächsten stellt in den meisten Fällen einen Szenenwechsel dar und eignet sich deshalb besonders gut, um einen Cliffhanger einzubauen. Sowohl die Vorstellung einer neuen Figur als auch eine Vorausblende können als Cliffhanger dienen. Eine weitere raffinierte Methode ist es, die Leserschaft über ein Geschehnis zu informieren, von dem der Protagonist noch nichts ahnt.
Fazit
Hoffentlich konnten wir dir mit diesen Ratschlägen und Beispielen etwas Inspiration geben, wie du dein erstes Kapitel möglichst spannend gestalten und aufbauen kannst. Selbstverständlich muss das erste Kapitel nicht all diese Merkmale enthalten, um zu gelingen. Beispielsweise enthalten gewisse Romane Elemente von verschiedenen Genres und es ist nicht möglich, das Ambiente mit der Wortwahl festzuhalten. In diesem Fall empfiehlt es sich sicherlich mehr, die zu vermittelnde Atmosphäre mittels der bildlichen Beschreibung zu kreieren.
Auch ein Cliffhanger ist kein Muss, um ein geglücktes erstes Kapitel zu verfassen; Vielleicht sparst du dir diesen lieber für ein späteres Kapitel auf, denn wenn diese zu oft vorkommen, oder du deine Leser/innen zu lange warten lässt, bis du das Rätsel auflöst, erreichst du womöglich das Gegenteil: Dein Buch wird zur Seite gelegt, weil die Leser/innen die Geduld verloren haben.
Du selbst bist der Schöpfer deines Werkes und hast die alleinige Entscheidung, wie du die Spannung deines ersten Kapitels aufbauen möchtest. Hauptsache ist: Sie existiert. Und jetzt heisst es: Ran an die Arbeit und viel Vergnügen beim Roman schreiben!